Infektionsschutz für alle: Flüchtlinge dezentral unterbringen!

IG Integration+ hat am 03.08.2020 einen Antrag gestellt. Nach § 7 der Hauptsatzung der Gemeinde Neunkirchen-Seelscheid ist der Haupt- und Finanzausschuss für die Erledigung von Anregungen und Beschwerden dieser Art zuständig. Unser Antrag wird auf die Tagesordnung der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses am 02.09.2020 gesetzt.

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin,

hiermit stellen wir für die nächste Ratssitzung am 19.08.2020 folgenden Antrag:

Infektionsschutz für alle: Flüchtlinge dezentral unterbringen!

Als Interessengemeinschaft INTEGRATION + treibt uns seit langem die Situation der Asylsuchenden und Flüchtlinge in den örtlichen Gemeinschaftsunterkünften der Gemeinde um. Das Leben in den isolierten Gemeinschaftsunterkünften, wie z.B. in der Ohlenhohnstr. oder in Nackhausen kann für die Betroffenen sehr belastend sein. Eine dezentrale Unterbringung wirkt hingegen nicht nur einer Stigmatisierung entgegen, sondern ist auch integrationspolitisch sinnvoll.

In der aktuellen Situation kommt noch eine konkrete Gesundheitsgefährdung hinzu. Bereits 2017 hat das Robert-Koch-Institut (RKI) in einem Bericht darauf hingewiesen, dass Asylsuchende aufgrund  der  schwierigen Lebensbedingungen während der Flucht, eines möglicherweise unvollständigen Impfschutzes, der teils höheren Prävalenzen in den Herkunftsländern und infolge des räumlich beengten Aufenthaltes in Massenunterkünften besonders vulnerabel für Infektionskrankheiten sind.

Durch die Unterbringung in beengten Verhältnissen, Mehrbettzimmern und die gemeinschaftliche Nutzung von Küchen, Kantinen und Sanitäranlagen können insbesondere Abstandsgebote und Kontaktauflagen, wie sie die Coronaschutzverordnung (CoronaSchVO) NRW vorgibt, kaum eingehalten werden. Eine aktuelle Studie der Universität Bielefeld zu COVID-19 in Gemeinschaftsunterkünften belegt, dass das Übertragungsrisiko einer Virusinfektion mit durchschnittlich 17% Wahrscheinlichkeit von Neu-Infektionen enorm hoch ist. Die vielen Meldungen über die Ausbreitung von SARS-CoV-2-Infektionen in Erstaufnahmeeinrichtungen und Sammelunterkünften für Flüchtlinge in NRW und deutschlandweit zeigen, dass es sich dabei nicht nur um ein theoretisches Risiko handelt.

In seinen Handlungsempfehlungen vom 07. Mai 2020 vom 07. Mai 2020 formuliert das RKI ausdrücklich, dass die gesetzlichen Kontaktbeschränkungen des Bundes und der Landesregierungen auch in Gemeinschaftsunterkünften für Flüchtlinge umsetzbar sein müssen. Ansonsten sind diese Unterkünfte als potentielle Hotspots eine Gefährdung nicht nur für alle Bewohner*innen und Mitarbeiter*innen, sondern für den gesamten Plan zur Eindämmung der Pandemie. Als Präventionsmaßnahme empfiehlt das RKI daher u. a. die Reduzierung der Belegung von Unterkünften und/oder die Nutzung weiterer Unterkünfte wie Wohnungen oder Hotels, insbesondere für Angehörige der Risikogruppe. Familien und Paare könnten weiterhin in einem Zimmer untergebracht werden, für andere Personen sollte eine Einzelzimmerunterbringung angestrebt werden.

Als Initiative INTEGRATION+ sehen wir vor diesem Hintergrund akuten Handlungs- und Schutzbedarf!

 Wir appellieren daher an Sie:

  1. Insbesondere Gemeinschaftsunterkünfte ohne abgeschlossene Wohneinheiten, d.h. mit eigener Küche und Bad, aufzugeben. Wo dies kurzfristig nicht möglich ist:
  2. die Belegungsdichte in den Gemeinschaftsunterkünften deutlich zu reduzieren, d. h. Personen in Einzel- bzw. Familienzimmern unterzubringen; dafür ggf. freie Bereiche in bestehenden Unterkünften zu nutzen und weitere Kapazitäten durch Anmietung von Wohnungen und ggf. von Hotels und Jugendherbergen zu schaffen;
  3. insbesondere Angehörige der vom RKI definierten Risikogruppen sowie vulnerable Personen zeitnah in Wohnungen bzw. abgeschlossenen Wohneinheiten unterzubringen und
  4. langfristig in Zusammenarbeit mit dem Familienamt ein Konzept zu entwickeln, das verbindliche Qualitätsstandards für die Unterbringung von Flüchtlingen mit bevorzugt dezentraler Unterbringung in Privatwohnungen vorsieht.
  5. Darüber hinaus wäre es wünschenswert, wenn regelmäßig (etwa alle 14 Tage) kostenlose Coronatests bei allen Bewohnern der Heime durchgeführt werden und
  6.      dass weit mehr als bisher (etwa 1-2 x in der Woche) Überprüfungen in den Heimen stattfinden, um sonst nicht in den Heimen gemeldete Personen ausfindig zu machen und des Hauses zu verweisen.

Mit freundlichen Grüßen

IG INTEGRATION+

Tarja Palonen-Heiße und Sabine Fix